Mental immun bei Konflikten, Teil 1

Gerade in diesen Zeiten erleben wir so viel Unsicherheit und Ärger im täglichen Leben wie selten zuvor. Zudem fühlen sich aktuell viele Menschen und vor allem auch unsere Kundinnen gestresst, müde und ausgelaugt. Sowohl chronische Überbelastung als auch häufige Konflikte und ein Zuviel an digitalen Reizen belasten Körper und Geist dauerhaft und schaffen damit die Basis für mentalen Stress, Konflikte und Ärger bei Kunden und Beratern gleichermaßen.

Das Stärken des mentalen Immunsystems und die erlernbare Fähigkeit, den emotionalen Umgang mit Konflikten und dem daraus resultierenden inneren Stress zu verändern, wirkt sich nachweislich positiv auf die Gesundheit und die Motivation und Freude im beruflichen und privaten Kontext aus. Wir können die persönlichen und Kunden-Kompetenzen stärken, indem wir die Mechanismen der Resilienz, also des mentalen Immunsystems und der positiven psychischen Anpassungsfähigkeit, kennenlernen.

Konflikte und die Wahrnehmung des Gegenübers

Konflikte entstehen meist durch eine Kombination aus Wahrnehmung des Gegenübers, der persönlichen Reaktion auf diesen „Reiz“ und der weiteren (non-) verbalen Kommunikation heraus. Konkret bedeutet das, wir nehmen die Person vor uns wahr (bewusst und unbewusst) und reagieren darauf nicht nur verbal, sondern auch mit unbewusst gezeigter Körpersprache und Mimik. Jede Kommunikation beginnt also mit Wahrnehmung des Gegenübers. Dabei nehmen wir den Menschen auf der bewussten Ebene primär mit den Augen wahr. Wir sehen die Person, deren Kleidung, deren unbewusste Sprache des Körpers und der Mimik, deren Verhalten und vieles mehr. Schnell stecken wir diese Person dann unbewusst in eine „Schublade“ und reagieren unbewusst auf die Reize dieser Person. Bestimmt hast du schon mal erlebt, dass die Kommunikation mit einem Kunden, den du persönlich nicht so magst, sehr schwierig erscheint. Jetzt könnten wir sagen: „Das macht der Kunde.“ Alternativ können wir auch sagen: „Meine Einstellung verstärkt die schwierige Kommunikation.“ In Wahrheit ist beides der Fall. Der Kunde agiert auf eine bestimmte Weise mit mir. Seine Art, mit mir zu sprechen, und vielleicht auch das gereizte Verhalten oder das gefühlte „Von-oben-herab-Kommunizieren“ machen etwas mit mir. Schnell ist der Kunde in der Schublade „schwieriger Kunde“ und mein eigenes Verhalten, vor allem in der unbewussten Körper-sprache und Mimik, spiegelt das. Die eigene Mimik und die körpersprachliche Botschaft lautet meist unbewusst: „Ich habe ein Problem mit dir.“ Häufig unterliegen wir dem Irrtum, unsere Gedanken und Einstellungen hinter einer Fassade verstecken zu können. Doch leider nein, die schlechte Nachricht lautet: Niemand kann körpersprachlich lügen! Die Wahrnehmungskanäle des Gegenübers erfassen detailgenau unser unbewusstes körpersprachliches Verhalten und diese Person spiegelt dann mein Denken in Form von Haltung und Sprache.

Veränderung von Wahrnehmung, Denkmuster und Verhalten

Wenn wir nun die Wahrnehmung stärken und das persönliche Denkmuster reflektieren, können wir auch unser Verhalten glaubhaft ändern und damit mögliche Konflikte deeskalieren. Diese Veränderung beginnt mit dem Schärfen unserer Wahrnehmung auf allen Kanälen. Wir können jederzeit den Zugang zur eigenen Wahrnehmung grundlegend verändern. Die Qualität des Zugangs zur Welt können wir über die Bewusstheit der eigenen Wahrnehmung steigern. Das Tolle an der Wahrnehmung ist: Wir können sie ebenso trainieren wie unseren Körper bei Sport und Bewegung. Das ist auch gleich der erste Schritt hin zu „mental immun“ bei Konflikten und Stress.

„Wie nimmst du eigentlich wahr?“

Es scheint eine banale Frage zu sein, auf die wir sofort antworten: mit den Augen, den Ohren, den Händen etc. Doch dann hätte die Frage lauten müssen: Mit welchen Sinnesorganen nimmst du wahr? Hier ist gemeint, mit welchem Wahrnehmungsfilter, also mit welcher durch die Vergangenheit geprägten Brille nimmst du wahr? Durch die Änderung meiner Einstellung und meines Fokus kann ich das mentale Immunsystem unterstützen, weil Konflikte auch immer das persönliche Stresslevel stark steigen lassen. Um zu erleben, wie wir die Wahrnehmung erweitern, verringern oder steuern können, lade ich zu einem Experiment ein (s. Kasten). In den nächsten Ausgaben stelle ich noch weitere Trainingsmöglichkeiten der Wahrnehmung vor.

Wenn wir nun die Wahrnehmung stärken und das persönliche Denkmuster reflektieren, können wir auch unser Verhalten glaubhaft ändern und damit mögliche Konflikte deeskalieren.

EXPERIMENT NACH S. MORITZ _ DIE FERNGLASREISE

Ich lade dich auf dieser Reise dazu ein, dass du ein Auge schließt und ein Auge offen lässt. Nun mach mit den beiden Händen eine Art Fernglas, durch das du mit dem offenen Auge blicken kannst. Nun schau dich im Raum um. Was nimmst du wahr? Wie nimmst du wahr? Gerne stehe auf und gehe mit deinem Fernglas-Blick vorsichtig herum, bitte sei dabei achtsam und vorsichtig. Nach einer Minute halte inne und lies dir folgende Fragen zur persönlichen Auswertung durch: – Achte auf deinen Atem – wie atmest du? Flach oder tief, in den Brust- oder Bauchbereich? – Bist du eher angespannt oder entspannt? – Wie schnell konntest du dich bewegen? – Wie war dein Denken? Eher „Wow, so viele Wege und Möglichkeiten!“ oder eher „Hoffentlich stolpere ich nicht?“ – Wie hast du dich gefühlt? Sicher oder eher unsicher? Gerne mach dir eine kurze mentale Notiz dazu. Versuch doch gleich morgen an der Tara deine Wahrnehmung zu trainieren. Wie atmest du in Kontakt mit Kunden? Ist dein Körper entspannt oder angespannt? Wie denkst du über deinen Kunden – eher positiv oder negativ? Wie fühlst du dich mit dem Kunden – sicher oder unsicher? Stellt mir gerne Fragen dazu oder sendet mir eure Erkenntnisse an daniela.gruber@dieresilienztrainerin.at. Ich freue mich auf euch! :)

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